Das war wirklich spektakulär!

Das war wirklich spektakulär!

Richard Ringer sprintet auf den letzten Metern am sicher geglaubten Marathon-Sieger vorbei und wird Europameister, Konstanze Klosterhalfen fliegt auf den letzten beiden Runden an der favorisierten Kenianer-Türkin vorbei zum 5000-Meter-Gold, Gina Lückenkemper saust in weniger als 11 Sekunden zum Titel der schnellsten Frau Europas: Diese unvergleichlichen Sportmomente waren nur einige von vielen bei den European Championships in München. Die bayerische Landeshauptstadt hat ihre Qualitäten als Bühne für großen Sport ausgepackt – und wie.

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Als ausgezeichneter Ausrichter der europäischen Cross-Over-Meisterschaften in neun Sportarten hat München in diesen glanzvollen Tagen im August ein großartiges Bild abgegeben. Alles war da: große Emotionen, eine Stimmung wie von einem anderen Stern, einzigartige Sportstätten, außergewöhnliche Leistungen und eine Freude, die in diesen schwierigen Zeiten nicht nur die deutsche Volksseele verzückte. „Seht her, seht her, das ist spektakulär“: Der Refrain des Image-Songs, den passenderweise die Sportfreunde Stiller auf die Münchner Spiele vertonten, hätte treffender nicht sein können.

 

Und nein, nichts und niemand hat gefehlt. Am wenigsten die hochgepushten Sprinter-Rennpferde aus Amerika, die aufgepumpten Antihelden aus den großen und kleinen Diktaturen dieser Welt oder die schwarzafrikanische Dauerlauf-Maschinerie. Wie sich zeigte, sind Europameisterschaften oft spannender, weil sie eben Raum lassen für einen Goldmedaillengewinner aus Armenien, eine Top-Hochspringerin aus Montenegro oder eine junge 3000-Meter-Hindernisläuferin aus Deutschland – Überraschungssieger, die jede Sportveranstaltung zum Jubel-Erlebnis machen. Sicher, Spitzensport lebt von Höchstleistungen, aber sie müssen nicht zwangsläufig in die immergleichen Landesfarben gekleidet sein.

 

Dass die Protagonisten der bayerischen Betonkopf-Partei auf der Euphoriewelle mitschwimmen wollten, ging in der ganz und gar unpolitischen Begeisterung zum Glück unter. Leider nicht der wie immer unüberlegte Vorstoß von Innenminister Hermann, jetzt auf jeden Fall über eine Bewerbung für Olympia nachdenken zu müssen. Bleibt zu hoffen, dass Münchens Oberbürgermeister standhaft an seiner Position festhält, sich keinesfalls dem Diktat des IOC zu beugen und für Milliarden an Steuergeldern Bausünden aus dem Boden zu stampfen, nur weil einem selbsternannten olympischen Gott wie Bach die bestehenden Stadien und Veranstaltungsorte nicht gut genug sind. Sollen der Herr der korrumpierten Ringe und seine Vasallen doch mit ihren despotischen Busenfreunden kuscheln und über die Köpfe der Athleten hinweg um indiskutable Veranstaltungsorte schachern. Bach hat dem Olympischen Geist den Todesstoß versetzt, München muss sich hier nicht bemüßigt fühlen, Wiederbelebungsmaßnahmen einzuleiten.

 

Das Geld sollte stattdessen in eine zielgerichtete und faire Jugendarbeit investiert werden, damit Deutschland auch in Zukunft über die Erfolge seiner Athleten jubeln kann. Denn ganz offensichtlich besteht Nachholbedarf, wenn zum Beispiel Leichtathleten nur vorne mitmischen können, wenn sie in den USA trainieren. Der Deutsche Sportverband erwartet scheinbar immer noch, dass Spitzensportler ihr Training neben einem gutbezahlten Vollzeitjob absolvieren. Dass dies nicht möglich ist, dürfte selbst Laien klar sein – die Funktionäre im DSV sehen das trotzdem anders. Und nicht nur die: Fragte doch glatt ein Kommentator nach dem Sieg im Kajak-Einer der Herren, warum Jacob Schopf sofort das Basecap mit dem Logo des Sponsors aufsetzte – na ja, sicher nicht, weil ihn die Sonne blendete.

Ein 50-jähriger Altbau erwies sich als perfekter Ort für großen Sport.

Doch nochmal zurück an den Ort des Triumphes, wo Rennradfahrer unwillkürlich Werbung für den bayerischen Tourismusverband und Marathonläufer Lust auf einen Städtetrip in die Landeshauptstadt machten, Beachvolleyballer vor einem Kunsttempel ihre Bälle in den Sand schmetterten und Klettermaxe vor historischer Kulisse in schwindelnde Höhen kraxelten. Und wo sich ein 50-jähriger Altbau als perfekter Ort für großen Sport empfahl: Das Olympiastadion als architektonischer Hingucker gab allen recht, die sich vor einigen Jahren gegen seinen Abriss gewehrt haben. Oldies but Goldies, kann man da nur sagen.

 

Der Dank für dieses rundum glanzvolle Sportereignis im Zeichen der Nachhaltigkeit gilt neben den Organisatoren den vielen Freiwilligen, die Tag für Tag einen reibungslosen Ablauf der Wettbewerbe ermöglichten, den Unterstützern, dem Publikum und natürlich den Aktiven. Dazu gehörte auch ein Maskottchen, das zu München und dem Event so gut passte wie die Nuss zum Eichhörnchen: Gfreidi. Mit seinen zum Teil akrobatischen Auftritten und seiner kuscheligen Präsenz hat er seinen Beitrag zur Gesamtleistung der Veranstaltung getan: Beide haben neue Maßstäbe gesetzt.

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