Heilwasser zur äußeren Anwendung
Ab morgen sitzen die Schwimmer in meiner Heimatstadt nicht mehr auf dem Trockenen. Nach fast sieben Monaten Pause wird sich beim ersten Wasserkontakt zeigen, ob man das Schwimmen genauso wenig verlernt wie das Radfahren. Nach den Erfahrungen der letzten Monate habe ich ja meine Zweifel an der Erinnerungsfähigkeit sportinitiierender Körperfunktionen. Mein linkes Bein hat mich nämlich ziemlich eingebremst in meinem Vorsatz, an Laufleistungen aus den frühen 2000er-Jahren anzuknüpfen. Und dabei heißt es doch, Muskeln könnten bis ins hohe Alter aufgebaut werden.
Es mag nun an meiner unspezifischen Altersgruppenzuordnung liegen – noch nicht ganz alt, aber auch ganz sicher nicht mehr jung – oder am doch sehr fortgeschrittenen Alter meiner Turnschuhe, dass sich die beschleunigte Vorwärtsbewegung eher als persönlicher sportlicher Rückschritt erwiesen hat. Erstaunlicherweise kann man mit rund 15 Jahre alten Laufschuhen nicht mehr so gut laufen wie vor eineinhalb Jahrzehnten. Bei mir brauchte es allerdings eine lauferfahrene Kosmetikerin und einen kompetenten Laufschuhverkäufer, um diese Erkenntnis reifen zu lassen. Dabei sehen die Schuhe dank sorgfältiger Pflege noch fast wie neu aus. Außen hui und innen – platt. Klingt fast wie eine – augenzwinkernde – Selbstdiagnose.
Jedenfalls gab das altersschwache Schuhwerk seine funktionellen Defizite laufenden Fußes an meine Muskeln, Gelenke und – ach je, die Achillessehne weiter. Die kann bekanntlich sogar einem griechischen Halbgott mächtig zu schaffen machen, umso mehr einem bayerischen Halbschatteng’wachs ohne Sohlenstoßdämpfer. Also auf an die laufbar und dort auch gleich aufs Laufband, um nach den passenden Begleitern auf allen Wegen zu fahnden.
Schon wird es ganz schön luftleer unter der FFP2-Maske.
Trotz schmerzender Sehne will man sich natürlich in bester Verfassung präsentieren und deutet dem Berater mit einem müden Lächeln an, die Geschwindigkeit doch a bisserl nach oben zu schrauben. Schon wird es ganz schön luftleer unter der FFP2-Maske. Jetzt nur keine Müdigkeit vorschützen! Draußen auf dem zubetonierten Umfeld des Sportgeschäftes musste ich alte Kuh dann auch noch das junge Reh markieren – super Idee. Nach drei Runden Herumgespringe in verschiedenen Paar Schuhen stimmte mein Schmerzempfinden auf der Achillessehne das Lied vom Tod an.
Trotzdem stimmte mich mein Einkauf zuversichtlich, dass ich meine Fitness im Sprint zurückerobern würde. Jetzt, wo ich laut dem sympathischen Verkäufer auch noch Laufschuhe „aus diesem Jahrhundert“ mein Eigen nenne. Doch bei einer wahrscheinlich entzündeten Sehne bedarf es womöglich etwas mehr als gepolsterten Laufschuhen. Denn selbst die sind nicht in der Lage, einem bereits entstandenen Schaden vorzubeugen. Zumindest um diese Erkenntnis bin ich jetzt reicher. Morgen geht’s dann zurück in mein Element – ohne Laufschuhe und mit angeschlagener Achillessehne. Auf dass sie im Wasser heilen möge wie meine kranke Sportlerseele.
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