So „gut“ wie die meisten Blind Dates

So „gut“ wie die meisten Blind Dates

Eine blinde Frau wird Ohrenzeugin eines Raubüberfalls, sie erschnüffelt die Täter in einem elitären Kreis an Verdächtigen und verliebt sich mir nichts dir nichts in die Mörderin. Sicher, das Leben schreibt manchmal merkwürdige Geschichten, aber was sich die Krimiautoren so ausdenken, ist schon oft an sehr langen Haaren herbeigezogen. Mainz bleibt Mainz, wie es acht und kracht. Da wäre jedes echte „Blind Date“ spannender gewesen.

tatort

Die Geschichte von den gelangweilten Sprösslingen, die das viele Geld der Eltern verprassen und ihr ödes Leben mit Verbrechen aufpeppen, ist nicht neu, hätte aber in diesem Fall durchaus Potenzial gehabt – wenn das Mörderpärchen nicht agiert hätte wie menschliche Abziehbilder. Aber selbst wenn Wolfgang Stauch seiner Story erlaubt hätte, an Fahrt aufzunehmen, hätte ihm der zweite Erzählstrang die Luft abgedrückt. Rosamunde Pilcher trifft auf Tatort: Diese Sonntagabend-Fusion ist so unnötig, wie eine Kommissarin zur Rabenmutter zu stilisieren. Dass Heike Makatsch die Doppelrolle genauso überforderte wie ihre Filmfigur, machte die Sache zum Debakel.

 

Im Grunde war der Tatort aus Mainz weniger ein Krimi als vielmehr ein zweifaches Beziehungsdrama – das der Kommissarin und das der blinden Zeugin, die sich sehr schnell auf recht platte Art und Weise als Lesbe outete. Die Mörderin, eine fatale Mischung aus Schaufensterpuppe und Femme Fatale, nutzte diese Schwäche und machte Rosa mit Sex, den – nebenbei gesagt – kein Mensch hätte sehen müssen, gefügig. Ach ja, und in der Ecke lauert der eifersüchtige Freund, der die offene Beziehung mit seiner bisexuellen Freundin doch nicht so cool findet. Im Wettbewerb um das gelangweilteste Gehabe brachte die Billigversion von Bonnie und Clyde nicht nur Kommissar Rascher auf die Palme. Allein die Verhörszenen auf dem Polizeirevier waren Grund genug, abzuschalten.

 

Dann aber hätte man die kuriose Zuspitzung des Falls verpasst – und eine sowohl schauspielerische als auch inhaltliche Totalpleite. Zumindest, wenn man einen Tatort nicht nach Pilcher-Maßstäben bewertet. An dieser Stelle verrate ich ganz ungeniert, dass der Langweiler, pardon: Gelangweilte, mit der von einem Aushilfstankwart präzise auf Bahn gebrachten Kugel im Kopf als blaues Augenpaar in einer Blutlache endete. Das ist kein Spoiler, sondern vielmehr eine Entscheidungshilfe, um seine kostbare Zeit nicht an diesen Tatort zu verschwenden.

 

Die Logik hüpfte von einem Bocksprung zum nächsten.

Und weil die Logik in diesem Krimi im Grunde von einem Bocksprung zum nächsten hüpfte, mündete auch das Beziehungsdrama in einem Sammelsurium des Unsinns. Die Kommissarin entschied nach einem Tag, dass ihr verheirateter, in Liverpool lebender Ex, viel besser für die gemeinsame Tochter sorgen kann als sie – schließlich haben er und seine Frau ja schon einen ganzen Stall voll Kinder. Zum Glück hat das Kind den Engländer ganz instinktiv als Vater erkannt und gar kein Problem damit, die Mutter zu verlassen und mit einem Fremden in die Fremde zu ziehen. Die Konsequenz, mit der Heike Makatsch ihre Kommissarin nur ein paar Krokodilstränen an der Schulter ihrer Freundin abdrücken lässt, passt da schon fast ins Bild.

 

An dieser Stelle möchte ich ein Plädoyer für den Beruf des Schauspielers halten, der sein Handwerk ebenso erlernen muss wie ein Handwerker oder ein Autor – sogar Ausnahmetalente wie Lars Eidinger, Matthias Brandt oder Sophie Rois haben eine Schauspielschule besuchen müssen, um ihr Talent zur vollen Reife zu entwickeln. Wie furchtbar muss es da für einen Sebastian Blomberg sein, sich neben einer ehemaligen Musiksendungs-Moderatorin abzumühen, um zumindest einen Anflug von Authentizität in das gemeinsame zu zwingen. Ein Manga-Mädchen-Gesicht mit Quetschkommoden-Stimme mag ja für Viva ausreichen, aber das war’s dann auch.

 

Im jüngsten Tatort fiel mehrmals der Satz „Wir arbeiten hier ja auch immer mit Hoffnung“. Das müssen wir Tatort-Zuschauer mittlerweile auch. Denn wenn der Sonntagabend weiterhin mit derartigen Enttäuschungen aufwartet, lese ich lieber einen Krimi von Agatha Christie – oder einen Rosamunde-Pilcher-Roman.

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