Kein bisschen Medaillenglanz

Kein bisschen Medaillenglanz

Die Farce ist vorbei: Der Olympia-Tross verlässt das Land, in dem eine der schlimmsten Diktaturen der Welt herrscht. Wettkämpfe, die in einer Blase abgeschottet vom Rest Chinas stattfanden, Sportler, die „ihren Job machten“ (Zitat Natalie Geisenberger) und dann fast fluchtartig das Land verließen, politische Propaganda, die sich im Glanz sportlicher Höchstleistungen sonnte und auf dem Höhepunkt ein 15-jähriges russisches Mädchen, das unbehelligt Opfer eines perfiden russischen Sportsystems wurde. In China blies nicht nur den Sportlern ein kalter Wind entgegen – bei diesen Spielen verwehte es den so oft beschworenen olympischen Geist ins Nirwana. Nur Xi Jinping und der unsägliche Thomas Bach, eine Schande für Deutschland und den Sport, dürften zufrieden sein.

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Ach ja, der Bach. Freund Chinas, ein fleißiger Mitarbeiter des Regimes und ein Mann, der weiß, wann und wo er wegschauen muss. Bei den Menschenrechtverletzungen zum Beispiel. Aber was ist auch eine Volksgruppe wie die Uiguren gegen einen Haufen Schweizer Franken? Oder beim Umweltschutz. Na gut, das ist auch bei westlichen Veranstaltungsorten ein Problem und dass es in China eine Nummer größer ist, kann man ja auch proportional zur schieren Landesgröße sehen. Und wie war das gleich mit der Meinungsfreiheit? Da ist Herr Bach wohl der Ansicht, dass in China durchaus jeder seine eigene Meinung vertreten darf – solange sie mit der des Regimes im Einklang ist. Überhaupt kann der IOC-Pate diesem Thema nicht viel abgewinnen. In seinem Verein herrscht er schließlich ähnlich autoritär wie sein chinesischer Präsidenten-Freund. Die Büste in Peking (ja, die gibt es) hat er sich also redlich verdient.

 

Wenn heute ein Journalist in einer erzkonservativen und tendenziell unkritischen bayerischen Zeitung kommentiert, dass alles gar nicht so schlimm gewesen sei wie befürchtet, dann fragt man sich unwillkürlich, ob er tatsächlich über die Olympischen Spiele 2022 in Peking schreibt. Die Aufstände, die man befürchtet habe, seien ausgeblieben. Könnte das vielleicht daran liegen, dass China bekannt dafür ist, Regimegegnern nicht nur zu drohen? Vielleicht möchte sich der Verfasser dieser merkwürdigen Erkenntnisse ja einmal zwecks investigativer Recherche in ein chinesisches Gefängnis begeben, um sich ein realistisches Bild davon zu machen, dass Unterdrückung und Folter überzeugende Repressalien sind. Alle Journalisten mit etwas weitreichenderen Einblicken und einem aufgeschlosseneren Weltbild haben unisono die Spiele in Peking als Höhepunkt einer Entwicklung beschrieben, die aus Olympia eine Vermarktungsplattform für autokratische Staaten machte – und eine Gelddruckmaschine.

Der Fall Walijewa zeigt, wie weit sich Olympia von seiner ursprünglichen Idee entfernt hat.

Wenn beim angeblich größten Sportfest der Welt der Sport nur noch eine Nebensache ist, läuft etwas gründlich schief. Und dass eine 15-jährige Eiskunstläuferin für eine Leistungsschau Russlands missbraucht und dann im Streit zwischen den Sportinstitutionen zerrieben wird, zeigt, wie weit sich Olympia von seiner ursprünglichen Idee bereits entfernt hat. Die Leidtragenden sind die Sportler, deren außergewöhnliche Leistungen im Sumpf aus Korruption, Gier und Machtgeilheit versinken. Das Problem lässt sich jedoch nicht dadurch lösen, dass man im IOC umdenkt, wie viele fordern. Das Problem ist das IOC, in dem sich zum Teil verurteilte Verbrecher (bei mindestens zehn ist ein Verfahren anhängig), Vertreter diktatorischer Regime und gewissenlose Reichtumsoptimierer um den Paten Bach tummeln. International Organisation of Crime statt International Olympic Committee – dem müsste ein für alle Mal ein Ende gesetzt werden.

 

Natürlich hat die Welt derzeit andere Probleme als eine Umstrukturierung des Olympia-Veranstalters zu forcieren. Aber im Grunde geht es um eine ähnliche Problematik: In beiden Fällen lässt eine autokratische Macht ihre Muskeln spielen, mit dem Unterschied, dass die demokratische Staatengemeinschaft in der Ukraine-Krise eingreift. Und so sehr auch Bach die Olympischen Spiele als unpolitische Sportveranstaltung beschworen hat, umso mehr haben sie sich als das Gegenteil präsentiert: als Spiegelbild einer Welt, in der korrupte, unterdrückerische und zerstörerische Systeme immer mehr die Oberhand gewinnen.

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